Mädchen in Uniform, Regie: René Pollesch, Deutsches Schauspielhaus, Großes Haus, Premiere am 25.2.10
Man traut sich kaum, über diesen Theaterabend seine individuelle, exaltierte Künstlermeinung auszudrücken. Denn würde ich hier schreiben, das Stück sei großartig gewesen und genau dies ist meine Meinung, weiß man nicht, ob man damit gerade zu den Menschen gehört, welche der von René Pollesch inszenierte Chor in seinen Reden angreift. „Glotzt nicht so inspiriert! Studiert Jura!“ kommt der wütende Ausruf aus der Schar Mädchen, welche alle gleich in Rosa Kleidchen mit Spitzenrüschen und Schleifchen gekleidet und mit einem Gewehr bewaffnet sind.
Soll einem mit diesem Gewehr der egoistische Anspruch auf eine individuelle Selbstverwirklichung ausgetrieben werden oder schlicht die Illusion, dass wir alle in unserer verkrampften Suche nach dem eigentlichen Ich ein Einzelkämpfer, ein rühmliches Wesen sind.
Antworten geben diese Mädchen in Uniform nicht. Sie stellen noch nicht mal Fragen. Sie stellen lediglich fest. Dass wir glauben, nachdem wir brav in Regelstudienzeit unseren Bachelor und Master gemacht haben, wir nicht nur selbständige, wertvolle Mitglieder unserer Gesellschaft sind, sondern exaltierte Künstler. Um exaltiert und extrovertiert zu sein, darf man nicht mit, sondern MUSS gegen den Strom schwimmen. Wenn alle auf Individualisierung, auf das MUSS des Künstlers Wert legen, muss man eben beginnen im Kollektiv zu leben, zu denken, zu sprechen.
Dieses Kollektiv war das Herausragenste an diesem Theaterabend, was nicht bedeutet, dass die drei „Einzelwesen“ nicht gut gespielt hätten – besonders Sophie Rois überzeugte in ihrer Verzweiflung, die Richtung verloren zu haben - doch die spannendsten Reaktionen, die spannendsten Provokationen, so mag ich es nennen, stammten aus dem Mädchenchor. Weshalb beispielsweise lacht das Publikum gerade an den Stellen, an welchen an ihm selbst Kritik geübt wird: „Sie sitzen alle in diesem Zuschauerraum, um sich individuell inspirieren zu lassen“. Kritik erspart die Selbstkritik! Das ist meine Kritik des Abends. Viele Wahrheiten wurden ausgesprochen, direkte Reaktionen gab es reichlich, doch zweifle ich daran, dass dieses Stück die Macht und die Schärfe hat zu verändern, abgesehen von einer leichten ironischen Distanz, die man zu sich gewinnt und einem verschmitzten Lächeln, mit welchem man den Zuschauerraum verlässt.
Marie Schwesinger
Man traut sich kaum, über diesen Theaterabend seine individuelle, exaltierte Künstlermeinung auszudrücken. Denn würde ich hier schreiben, das Stück sei großartig gewesen und genau dies ist meine Meinung, weiß man nicht, ob man damit gerade zu den Menschen gehört, welche der von René Pollesch inszenierte Chor in seinen Reden angreift. „Glotzt nicht so inspiriert! Studiert Jura!“ kommt der wütende Ausruf aus der Schar Mädchen, welche alle gleich in Rosa Kleidchen mit Spitzenrüschen und Schleifchen gekleidet und mit einem Gewehr bewaffnet sind.
Soll einem mit diesem Gewehr der egoistische Anspruch auf eine individuelle Selbstverwirklichung ausgetrieben werden oder schlicht die Illusion, dass wir alle in unserer verkrampften Suche nach dem eigentlichen Ich ein Einzelkämpfer, ein rühmliches Wesen sind.
Antworten geben diese Mädchen in Uniform nicht. Sie stellen noch nicht mal Fragen. Sie stellen lediglich fest. Dass wir glauben, nachdem wir brav in Regelstudienzeit unseren Bachelor und Master gemacht haben, wir nicht nur selbständige, wertvolle Mitglieder unserer Gesellschaft sind, sondern exaltierte Künstler. Um exaltiert und extrovertiert zu sein, darf man nicht mit, sondern MUSS gegen den Strom schwimmen. Wenn alle auf Individualisierung, auf das MUSS des Künstlers Wert legen, muss man eben beginnen im Kollektiv zu leben, zu denken, zu sprechen.
Dieses Kollektiv war das Herausragenste an diesem Theaterabend, was nicht bedeutet, dass die drei „Einzelwesen“ nicht gut gespielt hätten – besonders Sophie Rois überzeugte in ihrer Verzweiflung, die Richtung verloren zu haben - doch die spannendsten Reaktionen, die spannendsten Provokationen, so mag ich es nennen, stammten aus dem Mädchenchor. Weshalb beispielsweise lacht das Publikum gerade an den Stellen, an welchen an ihm selbst Kritik geübt wird: „Sie sitzen alle in diesem Zuschauerraum, um sich individuell inspirieren zu lassen“. Kritik erspart die Selbstkritik! Das ist meine Kritik des Abends. Viele Wahrheiten wurden ausgesprochen, direkte Reaktionen gab es reichlich, doch zweifle ich daran, dass dieses Stück die Macht und die Schärfe hat zu verändern, abgesehen von einer leichten ironischen Distanz, die man zu sich gewinnt und einem verschmitzten Lächeln, mit welchem man den Zuschauerraum verlässt.
Marie Schwesinger
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