Montag, 15. März 2010

Ein überdimensionaler Vogelkäfig und eine Guillotine

Malersaal, Deutsches Schauspielhaus in Hamburg, 05.03.2010

Das Bühnenbild versprach schon einmal viel. Ein überdimensionaler Vogelkäfig und eine Guillotine. Was das nun mit Marx und und Kluge zu tun hat, fällt mir zunächst nicht ein? Das sollte im Weiteren für mich ein Problem bleiben. Der Regisseur Kevin Rittberger verlangt seinem Publikum ein Grundwissen ab, dass nicht unerheblich ist. So sind die Anspielungen und Verweise des Stückes nicht ohne Weiteres zu verstehen, wenn man nicht eine Gewisse Vorbildung zu Marx, Kluge und Voltaire mitbringt.
Doch zunächst wieder zum Stück. Es beginnt mit einer Videosequenz, in der ein Knetmännchen, ein Staatsbediensteter über die 68er und die Revolution fabuliert. An dieser Stelle soll einmal erwähnt werden, dass die Kostüme allesamt fantastisch waren und diese einen Großteil zum Charme des Stückes beitrugen.Die Stoßrichtung des Stückes wird schnell klar. Regisseur Rittberger benutzt Werke Kluges, um sich so Marx zu nähern und zu ergründen, was dessen Ideen sind, wie diese Umgesetzt werden könnten und erwähnt dabei auch den Utopiecharakter, der bei Marx mitschwingt. So tritt der fahnenschwenkende „Marxist ohne Hoffnung auf“, der verkündet, dass es 112 Generationen bräuchte, bis der Marxismus wirklich umgesetzt werden könnte.
Als Form nutzte Rittberger das alte Pariser Grand-Guignol-Theater. In dieser mir bisher unbekannten Theaterform werden kurze Horrorstücke aufgeführt, wie z.B die Hinrichtung per Guillotine. So wird das Programm auch von einer zweiköpfigen Frau angekündigt. Weitere skurrile Gestalten sollten das Ensemble komplettieren. Im weiteren Verlauf des Stückes werden die zu einer Flosse zusammengewachsenen Beine einer Meerjungfrau getrennt und immer wieder „der Mann ohne Kopf“ geköpft. Dieser stellt parallel zur Exekution Überlegungen zum Marxismus an. Er fragt sich, wie lange der Marsch des Kapitalismus in das Innere des Menschen wohl noch aufzuhalten sei. Es ist dabei nicht immer einfach, gleichzeitig der Hinrichtung und den diskursiven Gedanken des Mannes zu folgen.
Im Weiteren kommt der von Voltaire entwickelte Mikromegas auf die Erde, um sich mit den Menschen über ihr sein zu unterhalten.
Zum Ende des Stückes fabulieren die „Monster“ über den Biokosmismus, der mir bis dahin kein Begriff war und erklimmen eine Treppe, die sie hinausführt.
Nach dem Stück bot sich für die Besucher die Möglichkeit mit Kevin Rittberger und seiner Crew über das Stück zu sprechen, was für Leute wie mich, die das Gefühl hatten, längst nicht alles mitbekommen zu haben, sehr hilfreich war.
Festzuhalten bleibt, dass Kevin Rittbergers „ Nachrichten aus der ideologischen Antike“ keinen allzu leichten Stoff bietet und mich auch trotz toller Kostüme und einem gelungenen Bühnenbild nicht restlos überzeugen konnte.

Patrick Rausch

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