Freitag, 12. März 2010

Ich bin der Welt abhanden gekommen

Nachrichten aus der ideologischen Antike, Regie: Kevin Rittberger, Malersaal, Deutsches Schauspielhaus Hamburg, 01.03.2010

Greifbar ist mir dieser Theaterabend im Malersaal noch nicht. Es ist eher ein Gefühl, als ob man versucht hätte, aus dem kosmischen Rauschen eine Nachricht herauszufiltern und diese Nachricht deshalb so seltsam und teilweise auch unverständlich erscheint, weil sie entweder aus längst vergangenen oder zukünftigen Zeiten stammt.
Ein kleiner Planet fliegt vorbei und nimmt für wenige Minuten Kontakt zur Erde auf und ist dann wieder verschwunden. Nun fragt sich natürlich, was geht es uns in unserer Zeit auf unserer Erde an? Durch die Kombination von Texten von Alexander Kluge, Voltaire und Marx hat sich der Regisseur Kevin Rittberger nicht gerade die leichtesten Autoren herausgesucht. Doch anstatt eines trockenen Theorieabends erwarten einen groteske Bilder, tief gehende Texte verbunden mit Klamauk und Satire, verrückte Kostüme und ein unglaublich faszinierendes Bühnenbild. Erwähnenswert ist der riesige Vogelkäfig auf der linken Seite, aufsehenerregend auch die kleinere Version einer Guillotine und dann sind da natürlich die Charaktere. Alle an das Gran Guinol Theater in Paris Anfang des 20. Jahrhunderts angelegt sieht man einen sich immer wieder selbstbekämpfenden siamesischen Zwilling – grandios gespielt von Ute Hanning –, einen verrückten Professor - gespielt von Lukas Holzhausen, bei welchem man auf Grund der schulterlangen Haare und der Brille doch oft an Otto denken musste -, den Mann ohne Kopf (Felix Kramer), die unglaublich bewegungsfreudige und grazile Meerjungfrau (Marie Leuenberger) und zum Schluss Samuel Weiss als urkomischer Vogel im Vogelkäfig, der schon mal einen Fön gebrauchen muss, um sich aus seiner Kältestarre zu lösen.
Diese Figuren wurden mir im Laufe des Abends greifbar, doch die Texte von Alexander Kluge nicht. Gewiss, sie zeugen von großer Tiefe, ja, vielleicht sogar Weisheit, aber ich war viel zu sehr mit dem Geschehen auf der Bühne als mit dem Inhalt beschäftigt. Vielleicht erfordert es da mehr aktive Teilnahme im kosmischen Alltag, um sich seiner bloßen Sinnesorgane zu entledigen und den Abend als Ganzes zu sehen: Als kosmisches Rauschen irgendwo im Weltraum in einer Zeit, die sicher schon war und vielleicht noch kommen wird.

Marie Schwesinger

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