Dienstag, 6. April 2010

Stecker raus

4. April 2010 Schauspielhaus
Dorfpunks - Die Blüten der Gewalt

Punk ist tot. Oder auch nicht. Aber zumindest das, was in Lütjenburg bei Rocko Schamonis Alter Ego Sören vom Punk ankommt, ist ziemlich tot. Darum kann das auch nix werden mit Ausbruch aus der Gesellschaft und so weiter.
Der so rebellische Punk geht auch nur unter in der Suppe der festgefahrenen Dorfwelt und ihrem immer gleichen Alltag an den immer gleichen Orten in den immer gleichen Gesichtern. Eigentlich ist das alles ziemlich trostlos und eigentlich wäre das auch alles ziemlich trostlos anzuschauen, wäre es nicht durch die Inszenierung Studio Brauns hindurch, durch die Dorfpunks auf der Bühne zum Drahtseilakt zwischen absurdem Wahnsinn und nachdenklicher Existenzkrise wird. Humor mit Anspruch – oho!
Das klappt zwar nicht immer, nämlich dann nicht, wenn das ganze zu sehr in eine Richtung ausfranst: Beklopptheit oder Intellekt. Aber das passiert vielleicht ein bis zwei Mal in diesen beiden ansonsten wunderbaren Stunden überkandidelter Tragikomödie. Allein Heinz Strunk als Sörens Mutter bleibt unvergesslich und obwohl ich anfangs etwas enttäuscht war, dass Schamoni
seine Hauptrolle Felix Kramer überlässt und sie nicht etwa selbst spielt wird - der Charakter blüht auch mit ihm auf. Oder eben nicht. Unabhängig von der Besetzung: So viel bunte Kirmes auf der Bühne war mir bisher noch nahezu unbekannt. Während mir der Braunsche Humor doch bisher immer etwas fremd war, knallt er im Theater umso mehr, scheint geradezu für das Medium gemacht zu sein. Töpfermeister Paco de Luschas schwer anrüchige Tanzeinlage zur Proklamation der Sexiness des Töpferberufs – sollte man gesehen haben. Trotz allen Wahnsinns, strahlt das Stück eine seltsame Vertrautheit aus und das liegt nicht nur am knackigen Hamburger Dialekt, der von Studio Braun wie immer kultiviert wird. Die kleine ländliche Welt, die sich da auf der Bühne dreht, kann man nämlich auch in den Augen der „Punk’s not dead“-Shirtträger der Großstadt rotieren sehen. Vielleicht ist ja das gerade das Problem: Dass Punk, egal wo, zum Dorfpunk verkommen ist. Wir lernen also auch noch etwas über unsere Generation. Und dass aus dem Ganzen durcheinander doch noch etwas werden kann. Denn am Ende stehen Rocko Schamoni und Felix Kramer zusammen auf der Bühne und sind jetzt eben nur noch das: Schamoni und Kramer. Vorbei mit Dorf und Punk und Dorfpunk, vorbei mit der Trostlosigkeit. Und darum wirkt es auch nicht bescheuert, wenn sie dann anfangen zu singen „Folge der Stimme, die in deinem Herzen schlägt“. Oder „Du trägst dein Dorf immer mit dir rum“. Es wirkt schön und zuversichtlich und gut. Viel lebhafter und bunter, als alles, was die Bühne sonst so hergeben will. Quasi Comedy-Stunde in der Hamburger Schule.
Als nächstes dann bitte eine HGich.T – Inszenierung.
Nicolai Pudimat

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