Dienstag, 16. November 2010

Im Stillen - von Clemens Mägde - Malersaal

Im Stillen. Alt werden oder immer älter werden, beides geschieht im Stillen. Langsam, erst unmerklich, noch verdrängbar, dann immer deutlicher, sichtbarer, fühlbarer, aber immer noch im Stillen. Und jeder für sich allein. Jung wie Alt.
Da ist der junge Mensch mit seinen Träumen und Plänen. Auf der Suche nach Zielen und oft der Erkenntnis, dass, obwohl nun „endlich Erwachsen“ das meiste gar nicht so selbstbestimmt läuft, wie immer angenommen. Der Druck und die Erwartungshaltung von außen werden eher stärker. Oft hat man keine richtige Orientierung. Woher, woran auch? Du brauchst doch Sicherheit, musst selbst für dein Leben sorgen können, musst wissen wo‘s lang geht.
Immer funktionieren. Als Kind brav sein und die Schule schaffen, damit mal was aus einem wird. Und was dann? Hat Kollege Internet nicht auch eher Hoffnungen geweckt, ohne sie dann erfüllen zu können? Wo bleibt die befriedigende Antwort auf so viele Fragen?
Und der alte Mensch? Vom Erwachsenen zum Alten. Endlich alt? Spüren, wie alles immer weniger wird, manches gar nicht mehr geht? Was ist und war mit der Suche nach Sicherheit? Sicher ist dann nur noch der Tod. Und Liebe, Famile, Kontakte? Auch jetzt das Internet als Freund des modernen Alten? Und die Träume? Was ist aus ihnen geworden? Viel Erkenntnis, wenig Hoffnung? Und wenn Hoffnung, worauf? Wofür soll man sich jetzt noch motivieren und wie denn überhaupt? Nur für‘s Kreutzwort-Rätsel-Raten? Gab es Antworten auf die Fragen, gibt es jetzt welche? Hat man endlich die Orientierung gefunden? Wird man dement, hat man sie verloren. Man merkt es dann nur nicht mehr, trösten sich die Jungen in ihrer Verzweiflung und Hilflosigkeit, wenn sie damit im eigenen Umfeld konfrontiert werden. Aber ist es nicht so, dass der demente Mensch es spürt? Hat er nicht große Angst? Würde da nicht jeder agressiv und ungeduldig werden? Man muss ihm nur in die Augen sehen oder seine Körperhaltung betrachten. Es kostet viel Kraft, die spürbaren Anfänge zu vertuschen. Auch vor sich selbst. Funktionieren ist immer angesagt, auch im Alter. Die Angst vor dem Abgeschoben- und Mit-Pillen-Ruhiggestelltwerden ist groß. Auch die Angst davor, das normale Vergesslichkeit oder mal ein bisschen schusslig sein, immer gleich als Demenz von den Jungen fehlinterpretiert wird. Wegschauen ist einfacher.
Als Jonas bei seiner Großmutter Margarete mit Demenz konfrontiert wird, schaut er nicht weg. Aber Hilflosigkeit lässt ihn zweifeln. Und hat er nicht auch Angst, dass es ihm auch einmal so gehen könnte? Wegschauen wäre wirklich einfacher. Seine Mutter hat ihm die ganze Verantwortung für die Oma übertragen. Es überfordert ihn zunehmend.
Die beiden Darsteller Juliane Koren und Martin Wolf zeichnen uns in hervorragender Weise ein stilles, einfühlsames Bild dieser Lebenssituationen. Sie sprechen im Stück nicht mit- einander, sondern über-einander. Monologe statt Dialoge. Sie spielen nebeneinander. Die beiden waren einander wohl immer sehr verbunden, werden sich aber doch im Verlauf des Stückes zunehmend fremder. Demenz zerstsört eben nicht nur die Gehirnzellen, sondern auch menschliche Kontakte.
Die Bühne ist karg. Ein fast leerer Raum. Der Bühnenboden, auf dem gespielt wird, stellt ein Trapez dar. Darauf ein Tisch mit Laptop und ein Stuhl. Auf dem Fußboden gerahmte Erinnerungsfotos, die im Verlauf des Stücks immer weniger werden, bis sie ganz still in einem Umzugskarton verschwinden, den Margrets Enkel Jonas im Hintergrund, von ihr unbemerkt, packt.
Das Stück regt zum Nachdenken, zum Auseinandersetzen mit unserer eigenen Situation und Endlichkeit an. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Einsamkeit, das Gefühl der Ohnmacht und die Angst vor dem Verlassenwerden finden immer im Stillen, im Unausgesprochenen statt. Sollten wir sie nicht aus der Dunkelheit herausholen?
Bei Franz Kafka heißt es in einem Gedicht dazu:
Schon darum sollten wir Menschen vor einander so ehrfürchtig, so nachdenklich stehen (....) wie vor dem Eingang zur Hölle.
Ich wünsche mir nun ein Stück, indem mal nicht nur die Trostlosigkeit aufgezeigt wird, sondern auch positive Möglichkeiten der Veränderung.

JuSt

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen