Gehen – Bleiben, Regie: Martin Oelbermann, Deutsches Schauspielhaus Hamburg, Kantine, 12.03.10
Soll er gehen oder soll er bleiben, das fragt sich der Schriftsteller Viktor Klemperer in seinen Tagebuchnotizen immer wieder und immer dringender. Als Sohn eines Rabbiners, jedoch in einer Mischehe mit einer Arierin, Eva, lebend, erlebt er den beginnenden Nationalsozialismus und schließlich den Krieg. Von Kampf und Aufstand ist bei ihm keine Rede, eher vom krampfhaften Versuch, sein Eheleben im erworbenen Haus mit seiner Frau Eva aufrechtzuerhalten. Bleiben bedeutet Resignation, doch zum Gehen ist er zu viel Nationalist, selbst als Jude.
Es ist ein besonderer Theaterabend. Er ist sehr direkt, sehr unmittelbar, obwohl man ein solches Thema doch schon hundertmal in den unterschiedlichsten Varianten gehört haben will. Was macht diesen Abend besonders? Hauptsächlich ist es die großartige Leistung von Schauspieler Michael Prelle. Er spielt Viktor Klemperer mit seiner lyrischen Sprache so nah und echt, dass man während der eineinhalb Stunden dauernden Vorstellung gebannt an seinen Lippen hängt. Mit so viel Leben gespielt, macht einen die Geschichte doch traurig. Traurig vor allem daher, dass man so gut nachvollziehen kann, weshalb man gegen die scheinbare Übermacht der Nazis sich nicht erhebt, weshalb man erträgt und aushält. Bewundert werden die Helden, die Zivilcourage beweisen und nicht selten für ihre Idee ihr Leben lassen oder auswandern und von außen versuchen durch Schriften und Werke zu verändern. Viktor Klemperer ist nicht solch ein Held und hat vielleicht nur deshalb überlebt. Ratlosigkeit zeichnen seine Schriften, selten Wut oder Sarkasmus. Und traurige Ironie folgt, als ihm von Anfang an die äußerlichen Parallelen zwischen der Regierung der Nazis und der DDR auffällt.
Es ist ein Theaterabend, der Ehrlichkeit zeigt. Ehrlichkeit eines Mannes, der nicht aufsteht gegen Ungerechtigkeit, der sich lieber duckt, nicht aus Bequemlichkeit, sondern aus Ratlosigkeit. Ein Mann, der bleibt, statt zu gehen. Und es bleibt die Frage zurück, die jeder für sich aufs Neue ehrlich beantworten muss. Ob man selbst gegangen oder geblieben wäre.
Marie Schwesinger
Soll er gehen oder soll er bleiben, das fragt sich der Schriftsteller Viktor Klemperer in seinen Tagebuchnotizen immer wieder und immer dringender. Als Sohn eines Rabbiners, jedoch in einer Mischehe mit einer Arierin, Eva, lebend, erlebt er den beginnenden Nationalsozialismus und schließlich den Krieg. Von Kampf und Aufstand ist bei ihm keine Rede, eher vom krampfhaften Versuch, sein Eheleben im erworbenen Haus mit seiner Frau Eva aufrechtzuerhalten. Bleiben bedeutet Resignation, doch zum Gehen ist er zu viel Nationalist, selbst als Jude.
Es ist ein besonderer Theaterabend. Er ist sehr direkt, sehr unmittelbar, obwohl man ein solches Thema doch schon hundertmal in den unterschiedlichsten Varianten gehört haben will. Was macht diesen Abend besonders? Hauptsächlich ist es die großartige Leistung von Schauspieler Michael Prelle. Er spielt Viktor Klemperer mit seiner lyrischen Sprache so nah und echt, dass man während der eineinhalb Stunden dauernden Vorstellung gebannt an seinen Lippen hängt. Mit so viel Leben gespielt, macht einen die Geschichte doch traurig. Traurig vor allem daher, dass man so gut nachvollziehen kann, weshalb man gegen die scheinbare Übermacht der Nazis sich nicht erhebt, weshalb man erträgt und aushält. Bewundert werden die Helden, die Zivilcourage beweisen und nicht selten für ihre Idee ihr Leben lassen oder auswandern und von außen versuchen durch Schriften und Werke zu verändern. Viktor Klemperer ist nicht solch ein Held und hat vielleicht nur deshalb überlebt. Ratlosigkeit zeichnen seine Schriften, selten Wut oder Sarkasmus. Und traurige Ironie folgt, als ihm von Anfang an die äußerlichen Parallelen zwischen der Regierung der Nazis und der DDR auffällt.
Es ist ein Theaterabend, der Ehrlichkeit zeigt. Ehrlichkeit eines Mannes, der nicht aufsteht gegen Ungerechtigkeit, der sich lieber duckt, nicht aus Bequemlichkeit, sondern aus Ratlosigkeit. Ein Mann, der bleibt, statt zu gehen. Und es bleibt die Frage zurück, die jeder für sich aufs Neue ehrlich beantworten muss. Ob man selbst gegangen oder geblieben wäre.
Marie Schwesinger
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen