Freitag, 12. März 2010

Ein Traum in schwarz/weiß

Was passiert, wenn man viel Nebel, viel athmosphärische Musik, viel Gespür für ein geniales Bühnenbild, etwas Video, einen Chor, viel Emotion und viel Kleist miteinander verbindet? Nicht unbedingt viel, es sei denn der Regisseur heißt Roger Vontobel, die Bühnenbildnerin Claudia Rohmer, Annette ter Meulen entwirft ein stimmungsvolles Lichtkonzept und für Musik und Video zeichnet Immanuel Heidrich verantwortlich. Wenn dannn noch ein Chor voller Schauspielnachwuchs unter der Leitung von Marc Aisenbrey wunderschön sakral singt und mit verbalen Attacken aus dem Zuschauerraum interveniert; wenn dann auch noch die weibliche Spitze des Schauspielhaus-Ensembles, Jana Schulz und Julia Nachtmann, mitspielen und -singen, Michael Prelle als Käthchens Vater uns vor der Haustür abholt und sein Innerstes überzeugend nach außen kehrt, dann ist die Mischung nahezu perfekt. Obwohl; "nobody is perfect".
Hier und da ein paar Kürzungen und der Verzicht auf eine Pause hätten diesem "Kätchen von Heilbronn" sicher nicht geschadet und die ohnehin schon konzentrierte Inszenierung noch mehr verdichtet und auf den Punkt gebracht. Ansonsten gab es viel Außergewöhnliches, bzw. der Zuschauer bekam es förmlich zu spüren: Das Kartenhaus, der Traumpalast stürzt ein und wir werden von einer heftigen Windböe erfasst. Kurz darauf hebt sich das soeben gefallene Dach in eine atemberaubend steile Schräge, die Fallhöhe wird nach oben geschraubt. Dieses reduzierte, multifunktionale Bühnenbild beschränkt sich farblich größtenteils auf Weiß und Schwarz. Die Inszenierung betreibt hingegen alles andere als Schwarzweißmalerei. Das gesamte Ensemble weiß bedingungslos zu überzeugen, zu berühren. Laute Techno-Musik folgt ernüchternder Stille. In der wohl leisesten Szene ist die Rede von einem Jungen, der weinend aufwacht. Jedoch nicht weil er schlecht geträumt hat, sondern weil sein Traum so schön war und niemals wahr werden wird.
Dieser Theatertraum war auch zum Weinen schön.
Zum Schluss dann: Black. Und das Publikum ist noch so somnambul paralysiert, so eingenommen, dass keiner zu klatschen wagt. Bloß nicht aus diesem Traum aufwachen. Doch dann schwillt der Applaus an und man möchte einfach nur sagen: Danke!

J.S.

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