Freitag, 12. März 2010

Pollesch, Rois und Mädchenbataillon liefern lupenreines Entertainment!

Das abgeschaffte Backstage, das Nicht - Entscheiden können zwischen der Beziehung mit Einzelwesen und der mit einer Gruppe. Die Wirrnisse der maschinell anmutenden Produktion von Wissen und Persönlichkeit in einem ständigen Wechsel von hier drinnen und da draußen. Kennt das damit einhergehende Gefühl von Verwirrung nicht fast jede(r) von uns? – Die Identifikationslacher des Publikums lassen erkennen: Das kennen viele! Natürlich bringt es im echten Leben niemand so gnadenlos gut auf den Punkt, wie Sophie Rois es auf der Bühne tut. Und auch das Mädchenbataillon als entindividualisierter Gegenpart, das mit pointierten Parolen Paroli bietet, liefert eine Menge Anschauungsmaterial für Assoziationen.

Vor der Vorstellung an der Garderobe beraten sich zwei Premieren-Publikum-Ladies jenseits der 60 über das Bevorstehende: „Nach dem, was man so hört, können wir uns auf einiges gefasst machen!“ – „Oh ja, oh ja, der Pollesch ist ein Wilder!“ – „Aha, soso, hört, hört!“
Na, wenn Sie vorhatten, mit Erwartungen zu brechen, muss ich Sie enttäuschen, Herr Pollesch. Das wäre fehlgeschlagen. Das Publikum erwartete einen Abend jenseits konventioneller Beurteilungskriterien. Es erwartete ein Stück, das neue Impulse für eine alte Überlegung liefert. Die ewig aktuelle Auseinandersetzung mit der eigenen Identität im gesamtgesellschaftlichen Kontext wollte Alt und Jung hier neu belebt wissen. Diese Erwartung war nicht unbegründet, denn was bereits im Titel ein Konglomerat aus Altem und ironisierendem Neuen trägt und von einem derart innovativen Regisseur inszeniert wird, wie Pollesch es ist, verspricht ein Theatererlebnis zu werden, das philosophische, politische und (post)historische Themen auf intelligente und witzige Weise vermengt, vermischt und vorführt. Das wiederum ist ausdrücklich gelungen!
Dass das Entertainment auch nach der Vorstellung fortwirkt, zeigen Gespräche im Anschluss an das Stück. Ein älterer Herr erzählt auf der Premierenfeier, dass er seinen Aquarellkurs jetzt in einem völlig neuen Licht betrachtet und eine junge Frau gibt zu, dass sie jetzt doch kein eigenes Theaterstück mehr ins Laptop tippen wird, weil sie sich beim inspiriert Glotzen erwischt fühlt.

Neben der guten Unterhaltung blieb bei vielen Gästen das Gefühl, das Stück sei zu kurz, wenn auch inhaltlich gefüllt genug. An der Stelle gelang der Bruch mit Erwartungen dann doch. Man geht nach diesem Abend nicht mit einer fertigen Empfindung nach Hause, sondern mit der Spannung, die durch Kurzweil in Kombination mit dramaturgischer Dichte entsteht.

Christina Schäfers

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