Romeo und Julia im 21. Jahrhundert. Was ist da noch rauszuholen?
Der Vorhang geht auf und auf der Bühne wälzt sich ein Haufen braun bekleideter Knaben. Das soll wahrscheinlich die Fehde oder den Konflikt darstellen, aber zuerst einmal sieht das aus, als hätte jemand in der Hitlerjugend hundert Mark auf den Boden geworfen. Später fährt Julia in einem großen Kasten in lasziver Pose von der Decke auf die Bühne hinab. Das sieht aus, als hätte man Marilyn Monroe hinters Schaufenster gestellt. Und dann kommen noch viele andere Bilder, die alle nach anderem und neuen Eindrücken aussehen. Man fragt sich zwar zuweilen, wo da Romeo und Julia reinpassen, aber das Auge allein stellt diese Frage zumindest nicht. Denn rein visuell gibt es schon in den ersten Minuten tolle Sachen zu bewundern, nur mit Bühne, Beleuchtung und besagtem Kasten entstehen so faszinierende Bilder, dass man ab und an erschrickt, wenn plötzlich wieder Bewegung in sie fährt. Hinter verschlossenen Ohren zerfließen Theater, Photographie und Film miteinander. Was hinter verschlossenen Augen davon übrig bleibt, wird dann nach der ersten dreiviertel Stunde klar. Denn auf einmal: Nichts! Keine tollen Bühnen- und Lichtspielereien, gar keine visuellen Leckerli mehr. Stattdessen: eine nackte Bühne, auf der Romeo & Julia gespielt wird, wie man es kennt. Wie man es inzwischen in- und auswendig kennt. Und wohlgemerkt: da kommen noch zwei Stunden. Gut, es gibt noch ein wenig obligatorischen Schnickschnack: Bruder Lorenzo ist eine abgemagerte, kahlköpfige Nonne, der Prinz Dekadenz in Form seines schmucken Glitteranzuges und der Kasten darf auch noch ein paar mal hoch und runter gefahren werden. Außerdem driftet Julia aus ihrer ursprünglich fürs 16. Jahrhundert erstaunlich feministischen Rolle in dominantes Rumgezicke ab. Diese Auslegung fand ich sowieso etwas ungesund, aber schlimmer noch: am Ende wird auch daraus nix. Der Schluss ist tragisch wie eh und je und Julias Charaktereskapaden sind unterwegs irgendwo im Nichts hängen geblieben.
Es klingt zwar abgelutscht und nach Klauberei, aber das Ganze lässt bei mir das Gefühl von plötzlicher Ideenlosigkeit zurück. Und zwar sehr plötzlich und exakt, nach ungefähr einer Dreiviertelstunde. Dann gibt es nur noch altbekanntes Drama in sehr trocken. Trocken wirkte zwischen den sensationellen Bildern des Anfangs noch stimmig, auf einmal wirkt es nur noch trocken. Eine von Shakespeares großen Qualitäten soll ja seine Zeitlosigkeit sein. Und ich will auch gerne glauben, dass sich Drama aus dem 16. Jahrhundert mit einer zeitgenössischen Hamburger Bühne vertragen kann.
Man sollte sich bloß für eines von beidem entscheiden.
Nicolai Pudimat
Der Vorhang geht auf und auf der Bühne wälzt sich ein Haufen braun bekleideter Knaben. Das soll wahrscheinlich die Fehde oder den Konflikt darstellen, aber zuerst einmal sieht das aus, als hätte jemand in der Hitlerjugend hundert Mark auf den Boden geworfen. Später fährt Julia in einem großen Kasten in lasziver Pose von der Decke auf die Bühne hinab. Das sieht aus, als hätte man Marilyn Monroe hinters Schaufenster gestellt. Und dann kommen noch viele andere Bilder, die alle nach anderem und neuen Eindrücken aussehen. Man fragt sich zwar zuweilen, wo da Romeo und Julia reinpassen, aber das Auge allein stellt diese Frage zumindest nicht. Denn rein visuell gibt es schon in den ersten Minuten tolle Sachen zu bewundern, nur mit Bühne, Beleuchtung und besagtem Kasten entstehen so faszinierende Bilder, dass man ab und an erschrickt, wenn plötzlich wieder Bewegung in sie fährt. Hinter verschlossenen Ohren zerfließen Theater, Photographie und Film miteinander. Was hinter verschlossenen Augen davon übrig bleibt, wird dann nach der ersten dreiviertel Stunde klar. Denn auf einmal: Nichts! Keine tollen Bühnen- und Lichtspielereien, gar keine visuellen Leckerli mehr. Stattdessen: eine nackte Bühne, auf der Romeo & Julia gespielt wird, wie man es kennt. Wie man es inzwischen in- und auswendig kennt. Und wohlgemerkt: da kommen noch zwei Stunden. Gut, es gibt noch ein wenig obligatorischen Schnickschnack: Bruder Lorenzo ist eine abgemagerte, kahlköpfige Nonne, der Prinz Dekadenz in Form seines schmucken Glitteranzuges und der Kasten darf auch noch ein paar mal hoch und runter gefahren werden. Außerdem driftet Julia aus ihrer ursprünglich fürs 16. Jahrhundert erstaunlich feministischen Rolle in dominantes Rumgezicke ab. Diese Auslegung fand ich sowieso etwas ungesund, aber schlimmer noch: am Ende wird auch daraus nix. Der Schluss ist tragisch wie eh und je und Julias Charaktereskapaden sind unterwegs irgendwo im Nichts hängen geblieben.
Es klingt zwar abgelutscht und nach Klauberei, aber das Ganze lässt bei mir das Gefühl von plötzlicher Ideenlosigkeit zurück. Und zwar sehr plötzlich und exakt, nach ungefähr einer Dreiviertelstunde. Dann gibt es nur noch altbekanntes Drama in sehr trocken. Trocken wirkte zwischen den sensationellen Bildern des Anfangs noch stimmig, auf einmal wirkt es nur noch trocken. Eine von Shakespeares großen Qualitäten soll ja seine Zeitlosigkeit sein. Und ich will auch gerne glauben, dass sich Drama aus dem 16. Jahrhundert mit einer zeitgenössischen Hamburger Bühne vertragen kann.
Man sollte sich bloß für eines von beidem entscheiden.
Nicolai Pudimat
ich kann mich der meinung pudimats nur anschließen. er spricht aus was mir erst tage später aufgefallen war. die scharfe beobachtungsgabe des schreibers lässt mich im hinterhof stehen und mit playmobil spielen. und mit einem kommentar unter seinem artikel ist er nun der erfolgreichste schreiber in diesem blog.
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