Punk Rock, Regie: Daniel Wahl, Deutsches Schauspielhaus Hamburg, Premiere 18.03.2010
Punk Rock, inszeniert von Schauspieler und Regisseur Daniel Wahl, handelt nicht von einem Amoklauf. Nicht nur. Wenn ich die Kritiken und Texte zum neuen Stück vom englischen Dramatiker Simon Stephens lese und dort ausschließlich vom Thema Amoklauf die Rede ist, so zeigt genau dies das Problem von unserer heutigen Gesellschaft nur mit der Oberfläche, nicht jedoch mit der Tiefe umgehen zu wollen. Der Amoklauf ist ein wichtiges Element des Stückes Punk Rock, welches die ineinander verschränkten Geschehnisse an einer englischen Highschool beschreibt. Doch das Blutbad ist Reaktion und nicht Aktion.
Die kleine Stadt Stockport in der Nähe von Manchester ist nicht nur Ort des Geschehens, sondern auch die Heimatstadt des Autors. Ging er selbst zu der Schule, welche er nun zum Setting eines Amoklaufes macht und welcher Schüler war er? Der Nerd mit Hornbrille? Der nette Kerl, der mal Angreifer, mal Verteidiger der Schwachen ist? Oder war er ganz normal? Ist selbst die Schule in Stockport eine so normale Schule wie das Gymnasium in Erfurt oder die Schule in Winnenden?
Normal scheint das Geschehen nicht zu sein. Zu stilisiert die Charaktere, zu Grausam die Handlungen des Peinigers Bennet, gegenüber seinen Mitschülern William und Chadwick, um mit dem normaler Schulalltag, den die meisten von uns erlebt haben oder erleben vergleichbar zu sein.
Jede Rolle scheint (und ist) brilliant besetzt: der arroganten upper class Bully (Aleksander Radenkovic), die ehrgeizige Freundin (Nadine Schwitter), das Moppelchen Tanya (Gisa Flake), der Mathematik-Freak Chadwick (Martin Wißner), der Außenseiter (hervorragend Sören Wunderlich), die Neue (Julia Nachtmann). Man weiß, wie es ausgeht, denn leider kam man nicht umhin, das Wort „Amoklauf“ in der Ankündigung des Stückes zu lesen. Dennoch fesselt das Spiel. Es fesselte mich vor allem durch die Tatsache, dass Mechanismen gezeigt wurde, die in ihrer Dichte und Konzentration vielleicht künstlich wirken mögen, doch in ihren Vorgängen an jeder Schule zutreffen. Mobbing. Wie kann Mobbing funktionieren, welches Umfeld braucht es, wohin kann es führen? Bennet ist nur daher so stark, dass er Freunde oder besser gesagt Kumpanen und Untergebene hat, die billigen, mal mitmachen oder vor allem das Ganze als Spaß nicht so wichtig nehmen. Interessant ist die Position des Nicholas Chatman, gespielt von Thorsten Hierse, welchen man zu Beginn klar zur Bennet-Front zuordnen würde, der sich jedoch durch die Freundschaft mit der Neuen an der Schule, Lilly, wandelt und schließlich gegen Bennet das Wort erhebt, als dieser die Chadwick tyrannisiert. Er ist eine der wenigen Personen, die im Laufe des Stückes eine Wandlung durchzumachen scheinen mit der Ausnahme des Protagonisten William. Doch Nicholas erhebt nur das Wort, doch tritt nicht in Aktion. An der Falschen Stelle wird körperlich nicht eingegriffe, an der falschen Stelle mit Worten verletzt, so dass es im Endeffekt reicht, dass Bennet William als „Bruderficker“ bezeichnet, damit dieser schließlich Amok läuft.
Mich hat es angerührt, diese Stück. Simon Stephens hat in seiner Sprache eine Klarheit ohne die Wahrheit für sich in Anspruch nehmen zu müssen. Mich hat das Spiel der Schauspieler mehr als überzeugt und ich kann nur hoffen, dass dieses Stück mehr wird als nur ein Publikumsmagnet für Schulklassen, weil es doch solch einen pädagogisch sinnvollen Inhalt transportieren würde, dass es besser auf die Bühne des Malersaals gehöre (man beachte die Ironie).
Hört auf über Amoklauf zu reden, sondern fangt an zu schauen, wo die wirklichen Ursachen sind. Denn so tragisch die Vorfälle in Winnenden oder Erfurt gewesen sind, man vergisst schnell, dass täglich tausende Schüler von Peinigern wie Bennet tyrannisiert werden ohne dass sie Amok laufen, jedoch auch ohne zu sagen, was mit ihnen passiert. Denn zuzugeben, dass die Schulzeit nicht nur schön ist oder war, ist nicht normal. Was passiert mit Bomben, die ticken und nicht explodieren? Vielleicht gibt uns darauf Simon Stephens in ein paar Jahren die Antwort darauf. Ich bin gespannt.
Marie Schwesinger
Punk Rock, inszeniert von Schauspieler und Regisseur Daniel Wahl, handelt nicht von einem Amoklauf. Nicht nur. Wenn ich die Kritiken und Texte zum neuen Stück vom englischen Dramatiker Simon Stephens lese und dort ausschließlich vom Thema Amoklauf die Rede ist, so zeigt genau dies das Problem von unserer heutigen Gesellschaft nur mit der Oberfläche, nicht jedoch mit der Tiefe umgehen zu wollen. Der Amoklauf ist ein wichtiges Element des Stückes Punk Rock, welches die ineinander verschränkten Geschehnisse an einer englischen Highschool beschreibt. Doch das Blutbad ist Reaktion und nicht Aktion.
Die kleine Stadt Stockport in der Nähe von Manchester ist nicht nur Ort des Geschehens, sondern auch die Heimatstadt des Autors. Ging er selbst zu der Schule, welche er nun zum Setting eines Amoklaufes macht und welcher Schüler war er? Der Nerd mit Hornbrille? Der nette Kerl, der mal Angreifer, mal Verteidiger der Schwachen ist? Oder war er ganz normal? Ist selbst die Schule in Stockport eine so normale Schule wie das Gymnasium in Erfurt oder die Schule in Winnenden?
Normal scheint das Geschehen nicht zu sein. Zu stilisiert die Charaktere, zu Grausam die Handlungen des Peinigers Bennet, gegenüber seinen Mitschülern William und Chadwick, um mit dem normaler Schulalltag, den die meisten von uns erlebt haben oder erleben vergleichbar zu sein.
Jede Rolle scheint (und ist) brilliant besetzt: der arroganten upper class Bully (Aleksander Radenkovic), die ehrgeizige Freundin (Nadine Schwitter), das Moppelchen Tanya (Gisa Flake), der Mathematik-Freak Chadwick (Martin Wißner), der Außenseiter (hervorragend Sören Wunderlich), die Neue (Julia Nachtmann). Man weiß, wie es ausgeht, denn leider kam man nicht umhin, das Wort „Amoklauf“ in der Ankündigung des Stückes zu lesen. Dennoch fesselt das Spiel. Es fesselte mich vor allem durch die Tatsache, dass Mechanismen gezeigt wurde, die in ihrer Dichte und Konzentration vielleicht künstlich wirken mögen, doch in ihren Vorgängen an jeder Schule zutreffen. Mobbing. Wie kann Mobbing funktionieren, welches Umfeld braucht es, wohin kann es führen? Bennet ist nur daher so stark, dass er Freunde oder besser gesagt Kumpanen und Untergebene hat, die billigen, mal mitmachen oder vor allem das Ganze als Spaß nicht so wichtig nehmen. Interessant ist die Position des Nicholas Chatman, gespielt von Thorsten Hierse, welchen man zu Beginn klar zur Bennet-Front zuordnen würde, der sich jedoch durch die Freundschaft mit der Neuen an der Schule, Lilly, wandelt und schließlich gegen Bennet das Wort erhebt, als dieser die Chadwick tyrannisiert. Er ist eine der wenigen Personen, die im Laufe des Stückes eine Wandlung durchzumachen scheinen mit der Ausnahme des Protagonisten William. Doch Nicholas erhebt nur das Wort, doch tritt nicht in Aktion. An der Falschen Stelle wird körperlich nicht eingegriffe, an der falschen Stelle mit Worten verletzt, so dass es im Endeffekt reicht, dass Bennet William als „Bruderficker“ bezeichnet, damit dieser schließlich Amok läuft.
Mich hat es angerührt, diese Stück. Simon Stephens hat in seiner Sprache eine Klarheit ohne die Wahrheit für sich in Anspruch nehmen zu müssen. Mich hat das Spiel der Schauspieler mehr als überzeugt und ich kann nur hoffen, dass dieses Stück mehr wird als nur ein Publikumsmagnet für Schulklassen, weil es doch solch einen pädagogisch sinnvollen Inhalt transportieren würde, dass es besser auf die Bühne des Malersaals gehöre (man beachte die Ironie).
Hört auf über Amoklauf zu reden, sondern fangt an zu schauen, wo die wirklichen Ursachen sind. Denn so tragisch die Vorfälle in Winnenden oder Erfurt gewesen sind, man vergisst schnell, dass täglich tausende Schüler von Peinigern wie Bennet tyrannisiert werden ohne dass sie Amok laufen, jedoch auch ohne zu sagen, was mit ihnen passiert. Denn zuzugeben, dass die Schulzeit nicht nur schön ist oder war, ist nicht normal. Was passiert mit Bomben, die ticken und nicht explodieren? Vielleicht gibt uns darauf Simon Stephens in ein paar Jahren die Antwort darauf. Ich bin gespannt.
Marie Schwesinger
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