Montag, 27. September 2010

M - Ein Mann jagt sich selbst

Die Jagd nach dem Grund

"M - ein Mann jagt sich selbst" das Ein-Mann-Stück von Clemens Mägde ist inspiriert von dem Fritz Lang Film aus dem Jahr 1931: „M - eine Stadt sucht einen Mörder“

Eine Geschichte über einen schizophrenen Mann, einen Kinderschänder, der uns in Mägdes Fassung Einblicke in seine Gedankenwelt gewährt. Diese schwebt zwischen poetischer Zärtlichkeit und aggressivem Wahnsinn. In einem Moment spinnt er Bilder von immer höher wachsenden Bäumen die mit ihren Ästen versuchen die Wolken langsamer vorbeiziehen zu lassen. Im nächsten patrolliert er aufgekratzt von einer Ecke des Podests zur anderen und gräbt hypothetisch mit einem Löffel in seinem Kopf. Das ist wiederum ein Bild, dass man sich nicht gerne ausmalt, denn so wie er spricht könnte man meinen er hätte es wirklich versucht und wäre wirklich an seinen Zähnen angekommen. Er gräbt jedenfalls auf der Suche nach dem Grund. Die Jagd nach dem Grund oder eine grundlose Jagd? Die essentiellen Fragen des Lebens – wer bin ich, wo komm ich her, wo geh ich hin – deren Antworten ihm in seiner Logik den Ausbruch aus dem Teufelskreis des Suchens befreien würden. Daniel Wahl spielt den zerbrochenen Mann im perfekten Anzug, der sich während des Stückes entblättert bis auf das schäbige T-Shirt, psychisch bis auf sein verkümmertes Inneres. Ein blendend weißer Raum in dem allein der Hut, der nie aufgesetzt wird, einen entspannenden Fleck für das Auge bietet. Ein Hut, wie Peter Lorre, der Darsteller des Mörders im Film, ihn trug. Peter Lorre mimt einen anderen Mörder, ein Mann der im Show-Down schreit „Aber ich kann doch nichts dafür!“, der mit seinen panisch hervortretenden Augen Mitleid erregt. Dieses Mitleid empfand ich nicht gegenüber dem Theater-M. Vielleicht weil man trotz strähniger Haare und grandioser, teils abstoßender, Mimik immer noch einen attraktiven Mann erkennen kann, besonders wenn er das Lächeln übt. Darf ein Kindermörder nicht gut aussehen? Doch, und er muss auch kein Mitleid erregen. Daniel Wahl macht aus ihm keinen verschreckten Mann. Er sucht den Blickkontakt zum Publikum, erklärt seine innersten Wünsche und Gedanken. Die räumliche Nähe erleichtert das Gefühl von kurzzeitiger Vertrautheit und macht es unmöglich sich dem klaustrophobischen Gefühl zu entziehen. Noch ein paar Worte zum Raum. Die Hamburger Botschaft besticht durch Mischung aus Probebühne, Underdog-Galerie und Jugendclub. Eine Spielstätte, die mit hoher Wahrscheinlichkeit den drastischen angekündigten Kürzungen zum Opfer fallen würde, was meiner Meinung nach sehr schade wäre. Eine grandiose Schauspielerische Leistung, ein verstörend-beeindruckender Theaterabend.

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